„Ist ein Haus aus den 1990er-Jahren ein Altbau, wenn es top gepflegt ist?“
Nun, wir schreiben das Jahr 2020. Ein Haus aus dem letzten Jahrtausend ist mit Sicherheit ein Altbau. Man könnte es handhaben wie mit Autos. Ein Neuwagen, der einmal zugelassen war, oder auch nur ein paar Tage benutzt wurde, ist keiner mehr. Eine amtliche Definition gibt es nicht. Die halte ich auch nicht für nötig. Letztlich spielt es keine Rolle wie alt ein Haus ist. Alte Häuser sind nicht selten besser Nutzbar als gerade gebaute.
Viel interessanter für die Nachhaltigkeit ist doch die Frage, ob das Haus „neuwertig“ ist. Worauf bezieht sich das? Erst einmal ist das einfach: Es muss alles am Haus optisch und technisch so beschaffen sein, als wäre es gerade erst mängelfrei fertiggestellt. Gleichzeitig muss es aber auch den heute aktuellen Standards entsprechen.
Es drängt sich sofort die Frage nach der Energiebilanz auf. Die Ansprüche hierbei sind in den letzten Jahren bekanntlich und aus guten Gründen deutlich gestiegen. Das werden sie weiter tun. Bis zum Jahr 2050 soll der gesamte Gebäudebestand CO2-neutral sein. Schnell wird so ein heute gebautes Haus zum „Altbau“, wenn nicht weitsichtig geplant wird.
Hinzu kommen auch immer mehr Fragen zur Nachhaltigkeit der verwendeten Baukonstruktionen und Baustoffe. Polystyrol z.B. müsste wohl als Sondermüll entsorgt werden, wenn erfolreiche Lobbyarbeit dies nicht vor wenigen Jahren verhindert hätte. Das gilt aber sicher auch für andere Baustoffe (PVC-Fenster, Laminate, Kunststoffe, Anstriche und einiges mehr). Wir wollen hier gar keinen einzelnen schlechter machen als er ist, sondern auf das Thema aufmerksam machen.
Für mich als beratender Architekt ist jedes benutzte Haus, das mehr als einen Renovierungsanstrich nötig hat, ein „Altbau“ und gleichzeitig mindestens der aktuell gültigen Energieeinsparverordnung EnEV entspricht. Für die planerische Arbeit spielt es keine Rolle ob ein Haus 10 oder 100 Jahre alt ist. Ein Unterschied macht es, ob es unter Denkmalschutz steht oder in seinem Charakter besonders erhaltenswert ist.
Das Thema „Altbau“ ist vielfältig. Dabei darf der Fingerzeig natürlich nicht fehlen: Entscheident für eine nachhaltige Werterhaltung ist der Blick auf die Zusammenhänge. Ein Gebäude ist ein System und keine Ansammlung von Einzelteilen. Zwei Beispiele:
- Eine Fassade ist schnell neu angestrichen. Üblicher Weise ist damit die Chance für eine bessere Wärmedämmung für die nächsten 10 bis 15 Jahre verspielt. Weil auch neue Tapeten kamen, ist die Möglichkeit der Innendämmung auch verspielt…
- Eine Heizung („Brenner“) ist ebenfalls schnell erneuert. Wenn das Haus danach gedämmt wird, ist die Heizanlage überdimensioniert, also ineffizient…
Dies Zusammenhänge des gerade zu bertrachtenden Altbau jedes Mal neu zu erkunden, macht den Spaß daran aus. Und natürlich gibt es auch hier Routienen, so dass nicht ständig das Rad neu erfunden werden muss.
Machen Sie sich schlau, lassen Sie sich beraten, damit Sie die richtigen Fragen stellen können, bevor Sie Aufträge vergeben.