Baustoffe vs Innenraumklima

„Wann fördern, wann schaden Baustoffe einem guten, gesunden Innenraumklima?“

Das sollte eine der wichtigsten Fragen überhaupt sein beim Bauen. Die meisten kennen nicht einmal die Frage, obwohl sie sich ständig in Innenräumen aufhalten. Kennen Sie noch den Begriff „sick building syndrome“? Heute redet keiner mehr darüber. Dennoch ist das Thema aktueller denn je.

Es ist umfangreich und ich könnte mich jetzt hier in seinen Tiefen verlieren. Aber das lassen wir. Es soll hier auch nicht auf die besonderen Notwendigkeiten von Allergikern ein gegangen werden. Das ist ein wichtiges, eigenes Thema auf das wir noch kommen werden.

Platt gesagt entsteht gutes Innenraumklima, wenn keine Schadstoffe aus den, den Raum umfassenden Flächen ausdünsten, Gerüche reduziert werden und die Luftfeuchtigkeit im angenehmen Rahmen bleibt. Hierauf wollen wir uns konzentrieren.

Man sagt, Wände sollten atmen. Das tue ich auch regelmäßig. Aber naturlich ist das Unsinn. Oder haben Sie schon einmal eine ein- und ausatmende Wand gesehen? Bauteile atmen ebenso wenig wie eine „Goretex“-Jacke oder ein „Funktionsshirt“ aus Kunst(stoff)faser. Bei letztern geht es um die Durchlässigkeit von Wasserdampf. Dafür weisen die Stoffe und Beschichtungen kleinere oder größere Löcher auf. Was sie nicht können, ist Wasserdampf puffern, also speichern und wieder abgeben. Dazu braucht es Naturfasern, z.B. Wolle. Mit Baustoffen verhält es sich genauso.

Bauteile wie Außenwände, Dächer etc. sollen sicherlich winddicht sein. Es sollte weder von außen nach innen, noch von innen nach außen Luftbewegungen geben. Die heute überall geforderte „Luftdichtigkeit“ ist allerdings auch wieder Unsinn. Bauteile sollen nicht luftdicht wie eine Glasflasche oder wie eine Aluminiumfolie sein. Das lässt sich auch kaum herstellen. Es soll nur nicht durch das Bauteil, z.B. den Anschluss Fenster – Wand, ziehen. Gelüftet wird anders.

Kleiner Exkurs: Es gibt Bauteilaufbauten, die fordern eine relativ hohe Dampfdichtigkeit, damit es nicht in dem Bauteil zu Tauwasserausfall kommt un die Funktion und Dauerhaftigkeit des Schichtaufbaus beinträchtigt wird. Wir reden hier von mehr oder weniger starken Dampfbremsen, früher auch Dampfsperren. Auch das ist ein eigenes, durchaus auch kontrovers gehandhabtes, Thema für einen eigenen Beitrag.

Es ist gut, wenn die verwendeten Baustoffe (und damit die Bauteile) insofern „atmungsaktiv“ sind, als sie sorptionsfähig und kapillar leitfähig sind. Das deutet, dass sie Wasserdampf aufnehmen, speichern und in gleichem Maße wieder abgeben können. Gleichzeitig können sie Wasserdampf im Bauteil transportieren. Wir reden hier nicht von Feuchte, nicht von flüssigem Wasser im Bauteil. Analog würden wir von Luftfeuchte (Wasserdampf in der Luft), aber nicht von Regen (Wassertropfen in der Luft) reden.

Warum ist das gut? Weil so die Bauteile dauerhaft trocken bleiben, immer ungefähr Ausgleichsfeuchte aufweisen, nicht schimmeln oder von anderen Schädlingen befallen werden. Ein Holzbalken mit 20 % Holzfeuchte, ist ein langlebiger Holzbalken. Und weiter, weil manche Schadstoffe und Gerüche an Wasserdampfmolekülen angelagert sind. Wenn es einen Austausch zwischen  der Raumluft und den umfassenden Flächen gibt, z.B. Lehmputz, riecht die Luft einfach besser, als wären die Wände lackiert.

Fazit: Bauteile und ihre Baustoffe sollen möglichst stark Wasserdampf sorptionsfähig und kapillar leitfähig sein, um ein gutes Innenraumklima zu erreichen. Je weniger sie das sind, desto mehr müssen Ersatzmaßnahmen getroffen werden und – ich behaupte das einmal – desto aufwändiger werden sie in ihrer Konstruktion oder den technischen Maßnahmen wie Lüftungsanlagen.

Gehen Sie einmal in einen „Glaspalast“ oder einen „Betonbunker“ und lassen Sie das dortige Klima auf Sie wirken. Sie können auch in die Geschäftstelle von altbau plus e.V. kommen: Glasfassade und Betonwände. Dann besuchen Sie ein Jahrhundertwendehaus oder am besten ein Holzhaus mit Lehmputz. Ich werde Ihnen dann nicht mehr viel erklären brauchen.

Zum Schluss bleibt anzumerken, dass die Struktur und Haptik der Oberflächen, Licht und Akustik weitere entscheidende Faktoren für das Wohlfühlen in Innenräumen sind…

Quelle der Grafiken: http://altbau-faqs.de/wp-content/uploads/Eckermann-Ziegert-Lehmputz-Raumklima-1.pdf